Die Green Chefs engagieren sich für Nachhaltigkeit in der Gastronomie. Cooking + Catering inside sprach mit Jan-Patrick Timmer über Pioniere, kleine und große Veränderungen sowie schwarze Schafe.
Herr Timmer, was hat Sie bewogen, die Green Chefs zu gründen?
Ich habe beruflich und privat viel mit Nachhaltigkeit zu tun. Dabei habe ich gesehen, dass eine gemeinsame Plattform für die vielen Ideen rund um die Nachhaltigkeit in der Gastronomie fehlt. Viele Projekte dieser Art sprechen eher Ketten und Großprojekte als individuell geführte Betriebe an. Das wollte ich ändern.
Was ist das übergeordnete Ziel, dass Sie mit den Green Chefs erreichen möchten?
Wir wollen mit den Green Chefs eine Bedeutung für die Branche der Gastgeber erlangen, wie sie der blaue Engel seinerzeit hatte: Ein verlässliches Siegel für die Gäste zu schaffen, damit sie wissen, wo sie ruhigen Gewissens genießen können.
Ich müsste darüber hinaus mit „eine bessere Zukunft“ antworten oder politische Statements bringen. Tatsächlich möchte ich, dass Fairness und Nachhaltigkeit in der Gastronomie Alltag werden. Nachhaltigkeit soll nicht besonders sein, sondern normal – in allen Bereichen der Gastfreundschaft. Das schaffen wir am besten, wenn wir den Betrieben ein Gefühl geben können, wirksam zu sein mit dem, was sie tun.
Was genau heißt nachhaltig in der Gastronomie? Können Sie ein Beispiel nennen?
Auf ein Beispiel kann ich mich nicht beschränken, dazu sind zu viele tolle Ideen da. Wir haben Partner, die die Abwärme von Küche und Kühlung nutzen, um Räume zu beheizen. Ein anderer hat ein Café entwickelt, in dem die Gäste durch die Drehtür knapp 70 Prozent des Stroms für die Kaffeemaschine erzeugen. Wir haben ein Restaurant in der Stadt mit eigenen Bienen – und einen Hotelier, der sich eine Anlage gebaut hat, mit der er die Abwärme der Spülstraße für das Vorheizen des Frischwassers nutzt. Diese Liste könnte ich stundenlang weiterführen.
Welche Formen der Partnerschaften gibt es?
Caterer, Gastronomen, Hoteliers, freie Köche und andere Gastgeber haben die Möglichkeit, sich als Green Chefs Partner zu bewerben. Die Partnerschaft ist kostenfrei. Lieferanten der Gastronomie, Erzeuger und Verbände können Green Chefs Supporter werden und sich im Netzwerk präsentieren. Menschen, die zu keiner der beiden Gruppen gehören, bezeichnen wir als Pioniere und stellen sie gerne vor, wenn sie außergewöhnliches oder originelles im Bereich Nachhaltigkeit leisten. Wer einfach nur in die Branche verliebt ist und sich für Nachhaltigkeit engagiert, kann sich als Green Chefs Insider bewerben.
Was ist Nachhaltigkeit für Sie persönlich?
Das Bewusstsein für die Welt um mich herum. Damit verbunden Respekt für die Natur und sicherlich auch etwas Demut, wenn ich mir die Leistungen der Natur angucke. Und Unverständnis, wenn ich sehe, was alles getan wird, um noch billiger zu produzieren, als nötig und erträglich ist – um Wettbewerbsvorteile zu erzielen, die eigentlich keiner braucht. Unverständnis auch deshalb, weil die Hälfte der Lebensmittel, die (zu) billig produziert werden, den Teller nie erreicht. Mit mehr Respekt vor der Produktion könnten wir weniger produzieren zu höheren Preisen – und mit weniger Verschwendung – und bei gleichem Konsum sowie geringeren Mengen höhere Einkommen für die Produzenten erzielen.
Nachhaltigkeit hat mehrere Säulen. Wirklich nachhaltig arbeitet ein Unternehmen erst, wenn es alle drei Bereiche bedient. Was muss ein gutes Unternehmen heute leisten?
In einem Unternehmen ist es der Mensch, der sein Verhalten hinterfragt und bereit ist, Änderungen auf sich zu nehmen. Die Aufgabe ist es, das Fragen und Hinterfragen stets beizubehalten und seine Mitarbeiter zu motivieren, das Gleiche zu tun. Und bereit zu sein, Dinge zu ändern und auch manchmal damit den Alltag zu verlassen. Wer (meist erstmalig) Kontakt zu Erzeugern hergestellt hat, wird den Mehrwert erkennen und Kontakt zu anderen suchen. Wer angefangen hat, den CO2 Verbrauch zu berechnen, wird damit nicht aufhören. Über den vernünftigen Umgang mit Mitarbeitern müssten wir eigentlich gar nicht sprechen, weil das normal sein sollte.
Wie wird ein Betrieb Partner der Green Chefs? Was müssen die Betriebe leisten Und wie wird Dies regelmäßig überprüft?
Wir haben einen Fragebogen entwickelt, der auf der Webseite der Green Chefs zu finden ist. Die Antworten werden ausgewertet und auf Plausibilität überprüft. Das interne Team überprüft den Auftritt des potenziellen Partners im Internet und in den sozialen Medien und achtet auf Unstimmigkeiten. Es darf natürlich keine Zweifel an den Antworten geben. Danach wird der Betrieb den Insidern vorgestellt, die dann jederzeit ein Veto einlegen können. Sind alle mit dem neuen Partner im Netzwerk einverstanden, heißen wir ihn herzlich willkommen und überreichen ihm die Urkunde.
Was hat ein Caterer oder Gemeinschaftsverpfleger davon, Mitglied bei den Green Chefs zu sein?
Partner der Green Chefs zu sein, heißt, ein Siegel zu bekommen, das man seinen Gästen präsentieren kann. Und im Restaurantfinder aufgenommen zu werden, damit Gäste einen als nachhaltigen Betrieb auch finden können. Somit ist die Partnerschaft auch Werbung.
Darüber hinaus ist die Vernetzung enorm wichtig. Ziel der Green Chefs ist es ja gerade, dass Tipps ausgetauscht werden, wie man mit kleinen Veränderungen Erfolg erzielt – „draußen“ stattdessen wird über die großen Maßnahmen berichtet. Daraus entsteht eine große Motivation, auch selbst tätig zu sein, wenn man sieht, dass ein nachhaltiges Wirtschaften kein Resultat enormer Investitionen ist oder großer Anstrengungen und Veränderungsbereitschaft bedarf. Green Chefs und deren Partner wissen, dass eine kleine Änderung jede Woche mehr bringt, als einmal im Jahr etwas Großes zu erwirken.
Wie sind die Green Chefs intern strukturiert? Wer hat außer Ihnen wofür den Hut auf?
Intern arbeiten hier mittlerweile sechs Menschen daran, dass die Organisation funktioniert. Von der Prüfung der Anfragen bis zum Versand der Urkunden. Wir haben eine strukturierte Presse- und Öffentlichkeitsabteilung und betreiben auch einen Shop, in dem die Partner zum Beispiel Kochjacken aus recyceltem PET kaufen können.
Neben der Organisation haben wir Green-Chefs-Insider. Die Insider arbeiten wie ein Beirat. Jede Entscheidung, die über den Alltag hinausgeht, wird in dieser Runde besprochen. Jeder Insider hat ein Veto-Recht bei der Aufnahme neuer Partner oder Supporter. Mit den Insidern möchte ich vermeiden, dass ich überhaupt einen Hut aufsetze – auch wenn es manchmal den Nachteil hat, dass ich nicht jede Idee einfach umsetzen kann.
Wie viele Partner hat Green Chefs derzeit?
Derzeit haben wir 400 Green Chefs Partner. Die meisten aus der Individualgastronomie – inhabergeführte Restaurants können ihre Vorstellungen am schnellsten umsetzen. Ansonsten Catering, Kochschulen und Hotels. Wobei es bei den Hotels stark auf die Gastronomie ankommt.
Haben die Green Chefs auch schon mal jemanden „rausgeschmissen“?
Leider ja. In zwei Fällen wegen unlauterer Methoden. Genauer gesagt, ging es um Unternehmer, die auf vielen Partys zu finden waren, dort auch als sehr spendabel angesehen wurden, zu Hause aber nicht die Rechnungen bezahlten. Da auch Fairness gegenüber den Lieferanten im Fokus steht, können wir solche Menschen nicht als Partner zulassen. Wobei nicht die Zahlungsschwierigkeiten bewertet wurden, sondern der Umgang mit den Gläubigern.
Wie wird die nachhaltige Arbeitsweise geprüft?
Eine Prüfung im Sinne von Kontrollen erfolgt nicht. Wie gesagt, die Partnerschaft ist kostenfrei, da ist eine Prüfung nicht möglich. Wir gucken uns regelmäßig die Homepages und sozialen Netzwerke der Partner an und wissen, dass andere Green Chefs ein großes Interesse haben, dass dieses besondere Netzwerk frei von schwarzen Schafen ist.
Welches sind Ihre mittel- bis langfristigen Ziele mit den Green Chefs?
Erst mal viele Green-Chefs-Partner im deutschsprachigen Raum zusammenbekommen, damit wir noch bekannter werden. Dann können wir daran arbeiten, dass Restaurantführer Green Chefs mit aufnehmen und kennzeichnen. Mit mehr Partnern können wir auch die Bekanntheit bei den Endverbrauchern, ergo Gästen der Green Chefs, erhöhen. Und so die vielen tollen Ideen der unzähligen Mitmacher publizieren und viele Menschen, egal ob private oder professionelle Gastgeber, zum Mitmachen beim Dienst an der Umwelt bewegen.
Foto Green Chefs