Stefan Lehmann ist Geschäftsführer von Lehmanns Gastronomie in Bonn, einem Musterbetrieb für die Schulverpflegung, das ca. 10.000 Schüler in der Region Köln-Bonn mit Mittagessen versorgt. Cooking + Catering inside sprach mit ihm über den schwierigen Markt für Schulcaterer und die Zukunft der Schülerverpflegung.
Herr Lehmann, was muss die Schulverpflegung in der heutigen Zeit leisten können?
Schulessen muss als ein Produkt mehreren Zielgruppen entsprechen: Die Eltern glücklich machen, die Kinder gut versorgen und die Ansprüche der Lehrer zufrieden stellen. Das sind alles sehr heterogene Gruppen. Und man darf nicht vergessen: Das Mittagessen in der Schule ist bei vielen Kindern oft das einzige warme Essen am Tag. Auch das muss berücksichtigt werden.
Kinder als heterogene Zielgruppe? Wie muss man sich dies vorstellen?
Wir Schulverpfleger unterscheiden zwischen Kindergärten, Grundschulen und weiterführenden Schulen. In Kindergarten und Grundschule essen alle Kinder, die zur Ganztagsbetreuung angemeldet sind. Lehrer bzw. Betreuer essen mit. Kommen die Kinder in weiterführende Schulen, fällt dieses gemeinsame Essen weg. In der fünften Klasse geht der Klassenlehrer vielleicht noch mit, in der sechsten Klasse schon kaum noch. Und so essen auch die Kinder und Jugendlichen: In der fünften Klasse gehen sie noch in die Mensa, in der sechsten weniger, später kaum noch. Sie wollen zunehmend selbstbestimmt essen, Neues ausprobieren. Manchmal auch einfach rebellieren. Und oft wollen sie natürlich zu den Coolen gehören, und die Coolen gehen nicht unbedingt in die Mensa. Hinzu kommt, dass sich mit zunehmendem Alter der Geschmack verändert. Sie haben dann andere Präferenzen bei der Essenswahl und besuchen lieber die bekannten Fast-Food-Ketten.
Das klingt nicht nach einer, sondern nach mehreren Zielgruppen…
Letztlich ist es das. Man kann die Verpflegung von Kindern in Kindergärten und Grundschulen nicht gleichsetzen mit der Verpflegung von Schülern an weiterführenden Schulen. Es werden ganz andere Dinge von uns gefordert. Nicht nur beim Essen, sondern auch in der Ansprache. Die muss beispielsweise medial erfolgen: Die Schüler bestellen ihr Essen über das Internet. Bei Lehmanns haben wir die Verpflegung der Schüler der weiterführenden Schulen deshalb in ein Tochter-Unternehmen ausgegliedert.
Die Schulverpflegung, wie man sie heute kennt, gibt es eigentlich erst seit Einführung des Modells der Ganztagsschulen. Wie hat sich dieser Markt seitdem entwickelt?
In den Gesamtschulen kennen wir eine Mittagsversorgung schon seit Jahrzehnten. Aber mit den Ganztagsschulen ist daraus ein Markt entstanden. Am Anfang haben viele Caterer dies erkannt und wollten hier mitspielen. Doch schnell hat sich herausgestellt, dass dies sehr schwieriges Terrain ist, und so haben sich viele Anbieter auch wieder daraus zurückgezogen. Aber das Angebot an Ganztagsschulen wächst weiter, und die Kinder hier haben einen Anspruch auf ein Mittagessen. Laut Kups-Studie sind es bisher 3 Millionen Schüler. Daher kann ma durchaus sagen: Der Markt für Schulverpflegung ist ein Wachstumsmarkt, allerdings ein schwieriger und einer mit großem Optimierungs-Potenzial. Da ist noch viel Luft nach oben.
Wo sehen Sie dieses Optimierungspotenzial genau?
Deutschland ist bei der Schülerverpflegung ein Entwicklungsland. Es gibt viele Länder, in denen wird Schulverpflegung schon seit Jahren wesentlich besser gehandhabt. Aber wir neigen dazu, das Rad neu zu erfinden, statt uns an sehr guten Beispielen zu orientieren. Wir haben Schulmensen neu gebaut und mit Technik ausgestattet, die im Nachhinein keiner braucht und welche, die viel zu klein sind.Auch welche, die zu laut und zu ungemütlich sind, denn es wurde außer Acht gelassen, dass einer der wichtigsten Aspekte in der Schulverpflegung der Wohlfühl-Faktor ist. Resultat: Die Schüler kommen nicht gerne oder gar nicht. Wir haben so viele Fehler gemacht, die wir kurzfristig gar nicht wieder gut machen können. Das heißt aber auch, wir befinden uns in einem Entwicklungsprozess.
Sie sagten, der Markt für Schulverpflegung sei schwierig. Wieso?
Das sind mehrere Aspekte. Zum einen ist Schulcatering ausgesprochen betreuungsintensiv. Man muss nahe an den Eltern sein, an den Betreuern, an den Trägern. An Mensaräten, Mensaausschüssen. Man ist also ständig im Dialog. Im Moment sind bei uns fast genauso viele Mitarbeiter in der Kommunikation und in der Verwaltung tätig wie in der Küche selbst. Und dieser Dialog muss natürlich in die Küche getragen werden. Dafür gibt es bei uns viele interne Sitzungen: Speiseplan-Besprechungen, Musterteller-Verkostungen, Probeessen, Neue-Rezeptur-Besprechungen. Alles das dient dazu, Feinjustierungen vornehmen zu können. Und man wird trotzdem immer nur 90 Prozent der Beteiligten glücklich machen können.
Wo hakt es Ihrer Meinung nach noch?
Die Eltern zufriedenzustellen, ist teilweise äußerst schwierig. Sie wollen gesund, sie wollen Bio-Qualität, sie wollen weniger Fleisch, es darf aber nichts kosten. In Deutschland ist die Bereitschaft gering, in eine vernünftige Schulverpflegung zu investieren. Beispiel: In München und in Berlin wird eine Erhöhung des Bioanteils auf 50 und mehr Prozent diskutiert. Dafür muss sich natürlich der Preis erhöhen. Wie soll das sonst abgebildet werden? Bezahlen will den Preis keiner. Kurz gesagt: Man muss viel leisten, hat einen großen Betreuungsaufwand. Die Marge ist im Vergleich zum Aufwand jedoch gering. Weiteres Problem: In Deutschland kann jede „Frittenbude“ Schulverpflegung anbieten. Es gibt keine verpflichtenden Qualitätsstandards, Auflagen und Vorgaben für die Anbieter. Es gibt zwar die DGE-Empfehlungen, aber das sind eben Empfehlungen. Wer Wert auf Qualität legt, folgt ihnen.
Und wie sind Ihre Prognosen für die weitere Entwicklung dieses Marktes?
Der Markt wird sich auf eine Vielzahl von Anbietern aufteilen, statt sich auf einige Große zu fokussieren, denn wir müssen Lösungen schaffen, um flächendeckend eine gute Versorgung sicherzustellen. Das Angebot in Ballungszentren ist zufriedenstellend. Aber was ist mit den ländlichen Regionen? Und insbesondere hier kann man einen guten Job nur als regionaler Anbieter machen. Eben weil er so betreuungsintensiv ist. Des Weiteren wäre die so oft geforderte Mehrwertsteuer-Ermäßigung für Schulverpflegung ein wichtiger Schritt für eine bessere Versorgung unserer Kinder. Wenn wir es dann auch noch schaffen würden, einheitliche Qualitätsstandards zu definieren, die dann für jeden Anbieter verpflichtend wären, wäre Deutschland hier endlich ein Vorzeige-Land.
Bild: Lehmanns Gastronomie