Vor einem Vierteljahr hat das Futurium in Berlin seine Türen geöffnet. Ein hochmodernes Ausstellungs- und Veranstaltungshaus, initiiert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, an sich dem namhafte wissenschaftliche Institutionen wie die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und die Fraunhofer-Gesellschaft beteiligen. Nomen est omen: Zukunft – Wie wollen wir leben? – ist hier das große Thema.
Das gilt auch für die Gastronomie dieses Hauses, das allein im ersten Monat schon über 100.000 Besucher anziehen konnte: Wie wollen wir essen? Wie sollen unsere Lebensmittel hergestellt und verarbeitet werden? Das Restaurant im Futurium will darauf Antworten geben – mit einer Menükarte, die Regionalität, Internationalität und Foodthemen der Zukunft kombiniert. Konkret bedeutet das zum Beispiel einen „Fake Surf & Turf“ mit Flussbarsch und gerösteten Mehlwürmern, einen „Kartoffel-Ramen“ mit Freilandei und Nori-Algen oder einer geschmorten Quitte zum Dessert – ein spannender Mix aus Zugänglichkeit und Innovation für das breit gestreute Publikum des Hauses, das sich aus Ausstellungsbesuchern und Mitarbeitern der umliegenden Büros zusammensetzt.
Verantwortlich für das Gastrokonzept zeichnen die Hoflieferanten als Teil der Sarah Wiener Gruppe. „Ich denke, wir haben den Pitch gewonnen, weil wir durch die Arbeit in unserer Gruppe – vom Hof in die Stadt – versuchen, Gastronomie und Catering weiterzudenken. Das passte ins Konzept“, erklärt uns Gesellschafter David Fuld, den wir zusammen mit dem neuen Geschäftsführer Jan Rickers zum Mittagessen im Restaurant im Futurium treffen. Die Gruppe, die Fuld anspricht, bietet nicht nur Catering mit den Hoflieferanten (bis 2018 Sarah Wiener Catering) und dem Cocktail-Catering Manoli, sondern stellt auch eigenes Personal mit Fuldwerk und betreibt zwei Gastronomien – neben dem Restaurant im Futurium schon seit 2003 das Restaurant im Hamburger Bahnhof. Und darüber hinaus, das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal, gibt es die eigene Produktion, die jenes von Fuld angesprochene „vom Hof in die Stadt“ ermöglicht: Auf Gut Kerkow bei Angermünde betreibt man seit 2015 einen Bio-Bauernhof mit eigener Tierzucht (rund 100 Aberdeen-Angusrinder und weitere Nutztiere). Schlachtung und Wurst- und Fleischproduktion finden direkt auf dem Hof statt, das Tierfutter baut man selbst an. Auch Brot und weitere Backwaren kommen aus der eigenen „Wiener Brot Holzofenbäckerei“, die es seit 2013 gibt.
Stück für Stück wurde hier ein kulinarisches Ökosystem aufgebaut, das 2020 seinen 30. Geburtstag feiert: 1990 nämlich eröffnete die bekannte Köchin Sarah Wiener ihr Catering-Business in der Stadt mit Sarah Wiener Catering und legte damit den Grundstein für die heutige Gruppe. Wiener selbst ist heute nicht mehr operativ in ihr tätig, sie konzentriert sich auf die Arbeit in ihrer gemeinnützigen Stiftung (gegründet 2007) und sitzt zudem seit der letzten Europawahl für die österreichischen Grünen im EU-Parlament. Doch ihr Herzensthema – ein verantwortungsvoller Umgang mit Lebensmitteln – zeichnet die Gruppe freilich weiter aus. Jan Rickers: „Unser Thema ist nach wie vor gute Ernährung.“
Wie sieht dieses Thema nun konkret aus? „Wir verwenden lieber die Steckrübe als die Avocado“, bringt es Rickers auf den Punkt. „Und alle Edelstücke vom Rind aus unserer eigenen Zucht“, so Fuld. Allerdings verhalte man sich undogmatisch: Wünscht ein Kunde exotische Früchte oder sieht das Catering-Briefing dezidiert ein Filet vor, dann wird dieser Wunsch auch erfüllt. Dennoch: „Saisonales anzubieten ist immer der erste Weg bei uns, es ist immer mindestens ein vollwertig vegetarisches Gericht dabei“, so Fuld. Und spätestens, wenn man mit den Kunden das Probeessen macht, die – wahre – Geschichte vom Hof mit den eigenen Tieren erzählt und das Demeterbrot aus dem Holzofen serviert, dann könne man überzeugen – trotz des recht hohen Menüpreises, der sich aus der offerierten Produktqualität ergibt. „Wir liegen in der Regel bei Angeboten schon im oberen Drittel“, so Jan Rickers, doch für viele Kunden – 100 bis zu 1.000 Gäste kann man bedienen – sei das gar nicht so ausschlaggebend: „Es gibt zum Glück ganz viele Kunden, die zu schätzen wissen, dass bei uns extrem durchdachte, lang erprobte Prozesse ineinandergreifen“, so David Fuld. Es stehe immer rechtzeitig alles zum Veranstaltungsbeginn und es gebe keine Sorge, dass das Personal nicht erscheint. Ein interner Mindestlohn von elf Euro für Berufsanfänger, eine eigene App, mit denen die Mitarbeiter ihre Verfügbarkeiten selbst angeben, sowie gute Aufstiegsmöglichkeiten durch das breite Spektrum der Gruppe gewährleisten, dass man in Zeiten permanenten und dramatischer werdenden Personalmangels den Druck zumindest abfedern kann. „Unser Umgang mit Personal ist in der Gruppe total geprägt von Anerkennung und Respekt“, erklärt David Fuld.
Trotz des florierenden Geschäfts: Die Regionalität, auf die man bei den Speisen konsequent setzt, will man auch konzeptuell weiterhin fahren. Es wird keine Filialen in anderen Städten geben. „Darüber haben wir mal nachgedacht, das tun wir aber nicht mehr. Wir sind ein regionaler Caterer“, so Fuld. Ebensowenig packe man Lkws mit gekochtem Essen voll, um damit ein Event in einer entfernten Stadt wie München oder Düsseldorf zu bespielen. Schon eher aber, wenn sich die Möglichkeit bietet, vor Ort einzukaufen und zu produzieren. Plastiktrinkhalme gibt’s schon lange nicht mehr – entweder verwendet man die Glasvarianten von Halm aus Berlin oder lässt die Röhrchen ganz weg. Chafing-Dishes gibt es bei den Hoflieferanten auch nicht – es wird immer vor den Gästen angerichtet. „Es ermöglicht Kommunikation zwischen den Köchen und den Gästen, wir müssen weniger wegwerfen und es geht unserer Erfahrung nach sogar schneller“, erläutert Rickers. Durch den Einkauf von größtenteils frischen Produkten aus eigener und externer Produktion sind wiederverwendbare Transportbehälter im Einsatz, und kreislaufwirtschaftliche Effekte ergeben sich an vielen Stellen. Etwa dann, wenn der Brotausschuss aus der Bäckerei vom Lieferanten, der vom Gut Kerkow Ware nach Berlin bringt, auf dem Rückweg mitgenommen und in der Uckermark – in Bio-Qualität – an die Schweine verfüttert werden kann. Oder wenn die Köche aus den Restaurants und der Catering-Produktion (im Berliner Tempodrom ansässig) in der Produktion auf dem Hof mitarbeiten oder gar selbst auf die Jagd gehen. So ergeben sich im Kleinen wie im Großen Prozesse, die die Hoflieferanten und die gesamte Sarah Wiener Gruppe in puncto Nachhaltigkeit vom Wettbewerb unterscheiden. Und mit diesem Alleinstellungsmerkmal will man in Zukunft auch das Thema Office-Catering stärker in Angriff nehmen.
Stichwort Zukunft: Was das Restaurant im Futurium betrifft, wird man schon bald mithilfe des im Hause gebündelten Know-hows in der Lage sein, exakt auszulesen, wie viel Energie die Zubereitung einer Speise verbraucht und wie sich diese Prozesse im Sinne der Umweltfreundlichkeit weiter optimieren lassen. Der Strom für Küche und Co. kommt schon jetzt vom Dach – dort befindet sich eine große Photovoltaik- und Solarthermie-Anlage, die das Haus versorgt.
Foto: (Jan Windszus/Hoflieferanten)