In seinem „State oft the Industry Report 2019“, der von Kathleen Stiehr verfasst wurde, hat das US-Unternehmen Catersource auf beeindruckende Art und Weise die Lage und Aussichten der Catering-Branche zusammengefasst. Manches dabei mag spezifisch auf die Situation der Caterer in den USA gemünzt sein, insgesamt stellt sich diese aktuelle Bestandsaufnahme, die auch mit Beispielen aus aller Welt angereichert wurde, aber aus der Sicht von Cooking + Catering inside als wichtige Diskussionsgrundlage für die Zukunft der Branche auch für Caterer in Deutschland dar.
Dabei hat ein relevantes Stichwort die Caterer erreicht, das aktuell in immer mehr Branchen streitig diskutiert wird: Disruption. Das Wort bedeutet zerreißen, zerbrechen oder zerschlagen und wird laut Wikipedia verwendet für „Innovationen, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung möglicherweise vollständig verdrängt“. Gleichzeitig beschreibt es auch in Bezug auf bestehende gesellschaftliche Gewohnheiten zerstörerisch wirkende Formen menschlichen Handelns. Im Gespräch mit CC inside machten im Rahmen der Internorga einige Unternehmenslenker aus Industrie und Catering deutlich, dass sie das Thema bereits auf dem Schirm haben. Das ist gut so, denn laut Catersource ist „Disruption die neue Normalität“.
Die technischen Veränderungen der vergangenen Jahre seien massiv und würden sich noch verstärken, so der Report. Automation durchdringe die gesamte Gesellschaft – von der computerbasierten Krankheitsdiagnose über Roboter, Siri und Alexa und Drohnen bis hin zu fahrerlosen Autos und 3D-Foodprinting. Auch in der Gastronomiebranche werden die Auswirkungen spürbar. So sei die vergangene Messe der US National Restaurant Association dominiert worden von den ausgestellten Selbsbedienungs-Automaten, Bedienungs- und Barkeeper-Robotern sowie Maschinen, die Drinks mixen, Sushi rollen oder Salat mischen, verpacken und ausgeben. Zweifellos sind diese Faktoren auch in der Lebensmittelindustrie spürbar. „Lebensmittel aus dem 3D-Drucker, intelligente Verpackungen zur Überprüfung der Haltbarkeit und die digitale Rückverfolgung der Produkte vom Teller bis zum Acker – bereits in zehn Jahren wird sich die Lebensmittelindustrie radikal verändern“, erklärte vergangenen Woche die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE).
Auf einer anderen Ebene bewegen sich die immer mehr aufkommenden neuen Plattformen künstlicher Intelligenz, die sich der Gastronomie als Dienstleister anbieten. So werde in den USA bald von dem Unternehmen Datassential die Plattform „Haiku“ gelauncht. Diese soll auf der Grundlage der Eingabe von 20 Millionen Menüdaten und Gäste-Bewertungen künftige Food-Trends angeblich mit einer Genauigkeit von 99,3 Prozent, voraussagen können.
Aus Sicht von Catersorurce spricht viel dafür, dass die Cateringbranche stark in Automation und Technik investieren wird. Natürlich werde menschliche Arbeit damit ersetzt, aber das könne dafür sorgen, dass sich die Caterer mehr auf Kundenservice, Mitarbeitergewinnung, Ausbildung und die Feinheiten von Hospitality im eigentlichen Sinne konzentrierten. Es ergebe also Sinn, diese Entwicklung eher als Ergänzung des Geschäftes und weniger als Wettbewerb zu sehen.
Überhaupt ist Disruption natürlich auch nichts grundsätzlich Negatives. Im Rahmen eines Vortrages zur Handelsblatt Jahrestagung „Handel und Wandel in Tankstellen und Convenience-Shops“ wies kürzlich Prof. Dr. Mark Oliver Opresnik darauf hin, dass aus seiner Sicht Disruption einen Prozess beschreibt, „bei dem ein kleineres Unternehmen mit weniger Ressourcen in der Lage ist, etablierte Unternehmen erfolgreich herauszufordern“. Disruptives Marketing hinterfrage dabei das konventionelle Denken in einem bestehenden Markt und „erschließt neue Möglichkeiten“. Das muss natürlich auf dem Hintergrund der aktuellen Situation geschehen. Für die Caterer steht dabei die immer stärkere Technologie-Nutzung der Gäste im Vordergrund. Getrieben wird sie laut Catersource von einer Bevölkerungsgruppe, die ab Mitte der 90er Jahre geboren sei. Diese Generation Z, so der State ot the Industry Report, nutze das Internet und die Technologie als Quelle für alle Informationen und wickle die ganze Interaktion mit Caterern – von der Adressfindung bis zur Bestellung – online ab. Sie hätten eine ganz andere Sichtweise darauf entwickelt, wie sie sich als Gast am Tisch verhalten und wie die Gastronomen mit ihnen umgehen und kommunizieren sollten. Das in diesem Zusammenhang klar zu erkennende „Wegbewegen von persönlicher Interaktion hin zu elektronischer betrifft die Gastronomie ganz grundsätzlich“, so die Autorin des Reports. Von dieser Veränderung bei jungen Gästen profitierten derzeit vor allem Fast Casual- und Quickservice-Restaurants sowie Anbieter wie Starbucks, die eben den elektronikorientierten Individualisten keine Gastfreundschaft im klassischen Sinne aufzwingen.
Auf eine weiteren wichtigen Aspekt in diesem Zusammenhang hat laut Report Will Eudi, Corporate Executive Chef des McAlaster´s Deli in Altlanta, hingewiesen: Den Umgang mit ebenso geprägten Mitarbeitern aus Generation Z. „Es ist sehr schwer, Gastfreundschaft zu trainieren, sie ist eine angeborener Eigenschaft und Teil unserer menschlichen Dynamik, man kann die Mechanismen lehren, aber nicht das Herz und die Seele“, zitiert der Report Eudi. Wenn Mitarbeiter dieser Generation aber einfach nicht freundlich seien, nicht lächeln und keinen Augenkontakt mit den Gästen halten könnten, dann würden sie auch nicht lange in diesem Job bleiben. Das wiederum ist natürlich nicht nur für die Mitarbeiter problematisch, sondern natürlich auch für die Gastronomie und verstärkt deren Probleme, künftig noch geeignetes Personal zu bekommen.
Das Wettbewerbsumfeld
verändert sich
Als besonders problematisch für die Catering-Branche sieht die Studie auch die Veränderung des Wettbewerbsumfeldes, die die elektronische Meinungsbildung der Menschen bewirkt habe. Dadurch gebe es nämlich immer weniger Vertrauen in große Marken und große Unternehmen in traditionellen Märkten. Die Gäste erwarteten, dass man ihnen gute Geschichten erzählen könne, die hinter den Produkten steckten. Regionale Konzepte und Craft-Anbieter aller Art täten das oft deutlich glaubwürdiger als große Anbieter und Marken. Auf dieser Basis sei bei ihnen die Überzeugung entstanden, dass man überall, wo Essen angeboten werde, auch gute Qualität bekommen könne.
Von dieser unvoreingenommenen Einstellung profitieren Convenience Stores, Food Trucks und Lebensmittel-Händler mit Gastro-Angebot ebenso wie die Lieferdienste aller Art. Letztere schneiden sich im Übrigen in den USA inzwischen ein großes Stück vom Catering-Kuchen ab. Laut dem Foodservice-orientierten Beratungsunternehmen Tecnomic waren im Jahr 2018 allein die Lieferservices von Uber Eats, GrubHub, DoorDash und Postmates das „neuntgrößte Restaurants der USA“ mit einem Umsatz von 7 Mrd. Dollar. Weitere Beispiele: Das Online-Business von Panera Bread, einer amerikanische Kette von Bäckerei-Cafés habe im vergangenen Jahr noch 1 Mrd. Dollar Umsatz erreicht, dieser solle 2019 verdoppelt werden.
Olive Garden, eine US-amerikanische Restaurantkette, die amerikanisch-italienische Küche anbietet, habe mit einer großen Anzeigenkampagne für seine Catering-Services in der Branche für Aufsehen gesorgt. Immer mehr Gastronomen, die bisher vielleicht nicht mit entsprechenden Plattformen zusammenarbeiten, starten selber Liefer- und Pick Up-Services. Die klassischen Caterer können nicht abwarten, ob sich diese Restaurant-Caterer auf Dauer in diesem Geschäft erfolgreich festsetzen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als selber im Gegenzug beispielsweise öffentliche Cafés, Restaurants und C-Stores in ihr Business zu integrieren, wie es auch in Deutschland längst geschieht. In den USA werden sie inzwischen aber auch mit eigenen Lieferservices aktiv, beispielsweise mit Ideen, ähnlich den Kochbox-Konzepten von Hello Fresh oder Blue Apron.
Natürlich, so räumt auch der State of the Industry Report ein, ist das moderne Gastro-Geschäft auch für alle Wettbewerber der Caterer nicht einfach. Sie müssen sich ebenfalls zwei wesentlichen gesellschaftlichen Herausforderungen und Disruptions-Faktoren stellen. Erster Faktor: das steigende Umweltbewusstsein, das sich von der Kritik an verwendeten Lebensmitteln, über die konkrete Öko-Bilanz der eigenen Aktivitäten bis hin zur Abfallvermeidung zieht. (Foto: Shutterstock)
Beitrag aus Cooking + Catering inside, Ausgabe 3/19
MeToo als bedrohung
Der zweite Faktor rückte in den USA durch die MeToo-Debatte in den Mittelpunkt der Aufmerksamkit: Das Thema Diskriminierung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz von Hospitality-Teams aller Art. Dies sei eine der am schwierigsten zu lösenden Probleme in der Gastronomie überhaupt, betont der Report. Wer das ignoriere, riskiere den Geschäftserfolg. Führungskräfte seien erstens aufgefordert, persönlich mit gutem Beispiel voranzugehen. Zweitens müssten konkrete Regeln aufgestellt und es muss sehr klar gemacht werden, dass das von Unternehmensseite ernst gemeint ist und bei Nichtbeachtung klare Konsequenzen gezogen werden.