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Anhaltender Hype oder doch nur eine Modeerscheinung? Diese Frage stellt sich derzeit bei den Seafood-Trends „Seacuterie“ und „Fin-to-Gill“. Beide Konzepte haben das Zeug dazu, neue Potenziale zu heben – Gastronomen und Caterer müssen ihr Angebot aber genauestens auf die Zielgruppe abstimmen.

Mit Trends ist es so eine Sache: Kaum ist ein neuer aufgetan, ist er auch schon wieder überholt. Nicht zutreffend ist diese Aus­sage beim Thema Fleischkonsum, denn nicht erst seit die Coronapandemie zahlreiche Schlachthöfe in die Schlagzeilen gebracht hat, verzichten immer mehr Bundesbürger auf Steaks und Schinken. Im Gegenzug kommen vermehrt Fisch und Meeresfrüchte auf die Teller. Das Marktpoten­zial für Spezialitäten aus dem Wasser ist groß, der Kundenkreis, der Wert auf gesunde und nachhaltige Ernährung legt, ist anspruchsvoll. Dieser Entwicklung müssen sich auch Caterer und Gastronomen stellen, denn mit einem Stück gebratenem Lachs oder einem Shrimps-Cocktail lassen sich heute nur noch die wenigsten Kunden begeistern. Kein Wunder also, dass sich gerade rund um die Produkte aus dem Meer im­mer neue Trends entwickeln.
In diesem Kontext haben sich zwei Ansätze zu regelrechten Buzzwords in der gehobenen Food-Industrie entwickelt: „Seacuterie“ und „Fin-to-Gill“. Was aber verbirgt sich hinter den beiden Konzepten? Und können Caterer und Gastronomen diese wirtschaftlich und effizient in ihrem Angebot umsetzen?


Mehr als bloße Wortspiele

Auch wenn die Begriffe neu im Markt sind, klingen sie dennoch vertraut. Das ist nicht verwunderlich, denn beide leiten sich aus der Fleischindustrie ab, wo echtes Handwerk und eine möglichst nachhaltige Verarbeitung längst keine hippen Trends mehr sind, sondern sich zu etablierten Techniken entwickelt haben. So ist „Seacuterie“ ein Wortspiel aus „Seafood“ (engl.: „Meeres­früchte“) und „Charcuterie“ (franz.: „Wurstwaren“). Aus der fleischverarbeitenden Industrie vertraute Zubereitungs- und Serviermethoden wie das Fermentieren, Einlegen oder Räuchern werden dabei auf Fisch und Meeresfrüchte angewandt. In der Praxis sieht dies wie folgt aus: Statt Wienerle gibt es Muschelwürstchen, statt Mettwurst Lachssalami und hauchdünn aufgeschnittener Schwertfisch ersetzt den Kochschinken. Serviert wird alles zusammen auf einem schicken „Seacuterie-­Board“ – quasi das Vesperbrett 2.0. Entstanden ist der Trend in Australien. Doch auch bei uns könnte sich das Konzept nach Meinung einiger Experten durchsetzen. „Bei den Deutschen ist bekanntlich Räucherfisch sehr beliebt, daher könnte eine Variante mit verschiedenen geräucherten und marinierten Fischarten gut ankommen“, meint Kristin Pettersen, Country Director beim Norwegian Seafood Council. Daniel Cerman-Benvenuto vom Seafood Convenience-Spezialisten Christian Goedeken jr. hat seinerseits ein langsam steigendes Konsuminteresse registriert. Der Vertriebler sieht vor allem bei trendbewussten jüngeren Konsumenten, die Wert auf eine gesunde, nachhaltige Ernährung legen, Potentiale für die Zukunft. „Der Trend wird sich durchsetzen und etablieren und besonders auch durch die jüngere Generation erhalten bleiben“, so Cerman-Benvenuto.


Komplette Ver­wertung vom Fisch

shutterstock 1476588977Der Nachhaltigkeitsgedanke do­miniert den zweiten Trend: „Fin-to-Gill“ bedeutet so viel wie „von der Schwanzflosse bis zur Kieme“ und fokussiert die Verarbeitung des ganzen Fisches. Der Begriff leitet sich vom „Nose-to-Tail“-Ansatz ab, bei dem ebenfalls alle Teile eines Tiers „von der Nase bis zum Schwanz“ verwendet werden. Während sich mittlerweile zahlreiche Köche der Nose-to-Tail-Bewegung verschrieben haben und auch die Konsumenten beim Anblick von Zunge, Innereien und Co. nicht mehr irritiert die Nase rümpfen, sehen Gastro-Experten die Ex­perimentierfreudigkeit beim Fin-to-Gill-Ansatz nur bedingt. „Innereien, Köpfe, Flossen, also die volle Verarbeitung des Tieres, wird in der Masse der Konsumenten nicht viel Anklang finden“, glaubt Daniel Cerman-Benvenuto. „Dafür ist der Konsument in Zentraleuropa zu verwöhnt. Auch wenn das Produkt eine andere Verpackung durch eine Zanderkopfterrine bekommt, sieht der Kunde das erwähnte Endprodukt doch recht kritisch.“ Potenzial für den Trend sieht der Vertriebler eher in Teilen des Mittelmeerraums sowie in Asien und Australien, wo die Menschen oftmals schon im Kindesalter mit exotischen Teilen des Fischs vertraut gemacht wurden.
Dass der Trend Down Under entstanden ist, kommt somit nicht von ungefähr. Als Erfinder des Fin-to-Gill-Konzepts gilt Josh Niland, ein Koch aus Sydney mit einer Schwäche für Fisch und Meeresfrüchte. Sein Kochbuch „The Whole Fish Cookbook“ ist die Bibel all jener, die beim Kochen den ganzen Fisch verwerten wollen. Überzeugte Anhänger schwärmen von unendlich vielen Möglichkeiten, die viel besser schmecken, als sie klingen. Dennoch bleiben Vorbehalte – gerade in Deutschland. Gastronomen und Caterer benötigen schlichtweg eine belastbare Masse, um wirtschaftlich rentabel arbeiten zu können. Kristin Pettersen erklärt: „Ich persönlich sehe Fin-to-Gill nicht als einen Konsumententrend, sondern als einen Trend bei einigen experimentierfreudigen Köchen.“ Damit nicht genug: Obwohl es kalkulatorisch sehr sinnvoll erscheint, den gesamten Fisch zu verarbeiten statt die Hälfte des Tieres in den Müll zu werfen, gibt es in der Praxis ein weiteres Hindernis, das dem Zero-Waste-Ansatz im Wege steht: „Die meisten Fischarten werden ausgenommen an die Gastronomie geliefert. Daher ist schwerlich alles zu verwenden.“ Als Beispiel nennt Kristin Pettersen den Skrei: „Da gehen Leber und Rogen, Zunge und Bäckchen nicht in den Export, sondern bleiben in Norwegen und werden dort konsumiert. Die Köpfe werden luftgetrocknet und gehen als Proteine nach Afrika.“ Ihr Fazit zu Fin-to-Gill fällt deshalb deutlich aus: „Kein einfacher Trend, sondern etwas, was nur beschränkt möglich ist.“
Mehr Möglichkeiten bieten sich beim Einsatz von Meeresfrüchten und Schalentieren. Der Seafood-Lieferant Royal Greenland wirbt schon länger für mehr Nachhaltigkeit: „Wir empfehlen auf unserer Webseite die Verwendung des klassisch gekochten ganzen Hummers, also auch der Lobsterschale und einiger sehr schmackhafter Innereien, beispielsweise für eine Lobster-Bisque, oder die kleinen gekochten Fleischstücke für einen Hummer-Cocktail. Auch das kräftig rote Fleisch in den Beinen ist sehr aromatisch“, weiß Dipl.-Kfm. Gerd Bollmann und führt sowohl wirtschaftlich als auch kulinarisch schlagende Argumente für seine Herangehensweise an: „Wenn alles vom Hummer verwendet wird, können wir das Augenmerk auf eine bessere Kalkulation lenken. Und auch für den Koch-Nachwuchs ist das Verarbeiten des ganzen Hummers viel interessanter.“



Wirtschaftlich und kulinarisch schlagende Argumente

Lachsol Zitrone ASC zertifiz iert Transgourmet SeafoodAnhänger der Fish-to-Gill-Bewegung sind auch jenseits der luxuriösen Schalentiere von der Zukunftsfähigkeit des Trends überzeugt: „In den nächsten zehn Jahren gehen mit Sicherheit viele Köche über die altbekannte Fischkopfsuppe hinaus und servieren Köstlichkeiten wie gegrillte Lachszunge, Tatar oder Burger aus geschabter Karkasse, pfannengebratene Heilbuttbäckchen, Fischaugencracker und Aioli aus Lachshautöl”, prophezeit das Marine Stewardship Council (MSC). Beim Großhändler Transgourmet Seafood ist ein solches Lachsöl bereits im Angebot, sowohl für den Menschen als auch für Tiere. Genau in diesem Bereich sieht man großes Potenzial für die Verwendung sogenannter Fisch-Nebenprodukte. „Value added fish by-products verfügen aufgrund ihres gesundheitlichen Nutzens für den Menschen über ein erhebliches Marktpotenzial. Indem ein wesentlicher Bestandteil der vermeintlichen Fischabfälle als Basismaterial genutzt beziehungsweise aufgewertet und in konzentrierter Form angeboten wird, kann ein neues Produkt entwickelt werden”, erklärt Transgourmet Seafood. Denn in Bezug auf ihre Nährstoffbilanz sind die Nebenprodukte des Filets, das gerade einmal die Hälfte eines Fisches ausmacht, alles andere als Abfall.
„Die Gewinnung von Vitamin D, Proteinen und Omega-3-Fettsäuren aus Fischresten ist ein wichtiges Verwertungsverfahren und Zukunftsthema, da wichtige Nahrungsressourcen ansonsten durch die Entsorgung verloren gehen. Gewonnenes Omega-3 oder Enzyme können somit der Herstellung von medizinischen Produkten, Kosmetik, Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln dienen.“

Fazit

Werden es Fischinnereien und -köpfe mittelfristig auf deutsche Speisekarten schaffen? Fest steht, dass einige dieser „Spezialitäten“ Mut erfordern – sowohl bei der Zubereitung als auch beim ersten Probieren. Ob die Konsumenten in einer wirtschaftlich rentablen Masse diesen Mut tatsächlich aufbringen werden und sich der Trend langfristig bei Gastronomen und Caterern durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.

 

Interview mit Petra Weigl, General Manager Regal Springs Europe


Zero - Waste - Buntbarsch  aus  Aquakultur
Petra Weigl
Da der Konsum von Fisch und Meeresfrüchten kontinuierlich steigt, profitieren weltweit die Aquakulturen. Mittlerweile soll fast jeder zweite Fisch, der auf dem Teller landet, aus Fischfarmen stammen. Über Vorteile, eingesetzte Fische und sensible Ökosysteme sprach Cooking + Catering Inside mit Petra Weigl, General Manager des Tilapia-Produzenten Regal Springs Europe.

 

Frau Weigl, weshalb hat sich Regal Springs für Aquakultur entschieden?
Mit einer verantwortungsvollen Aquakultur können wir den weltweit wachsenden Bedarf an hochwertigem Protein langfristig decken und für die Bevölkerung vor Ort eine nachhaltige Einkommensquelle sichern.

Wo liegen die Vorteile der Aquakultur?
Die Aquakultur hat eine sehr bedeutende Aufgabe für die globale Eiweiß-Versorgung. Wenn dieses Protein ressourcenschonend produziert werden soll, sollte Fischeiweiß in Zukunft vor allem aus nachhaltiger Aquakultur kommen. Regal Springs Buntbarsch wächst so natürlich wie möglich in großen schwimmenden Netzen in tiefen, reinen natürlichen Süßwasserseen und Stauseen heran. Die Besatzdichte ist nah am Bio-Standard der EU, wodurch die Fische weniger anfällig für Krankheiten, Stress oder Verletzungen sind und ein natürliches Schwimmverhalten nicht beeinträchtigt wird. Dabei werden weniger als ein Prozent der gesamten Wasseroberfläche der Gewässer genutzt, um einen negativen Einfluss der Farmen auf das sensible Ökosystem zu vermeiden.

 Warum züchten Sie ausschließlich Tilapia?
Weil der Tilapia ein sehr robuster und schmackhafter Fisch ist, der vor allem in strukturschwachen Regionen der Welt aufwächst, die unser Gründer mit der nachhaltigen Aquakultur fördern wollte.

Wie ordnen Sie die Trends „Seacuterie“ und „Fin-to-Gill“ ein?
Wir begrüßen den Trend „Fin-to-Gill“: Fischhaut enthält zum Beispiel hochwertige Fette, die beim Filetieren verloren gehen. Wir verfolgen eine Zero-Waste-Politik – bei uns werden auch Häute, Gräten oder Fischbäuche verwertet. Vor allem der asiatische Markt nutzt sehr viele dieser sogenannten Beiprodukte, aber auch in Europa mehrt sich die Verwendung. Beispielsweise arbeitet die Forschung an Tilapia-Haut als Pflaster für Brandwunden.
„Seacu­terie” ist ein Trend, der Vielfalt auf die Teller bringt. Unser Buntbarsch lässt sich auch wunderbar zu Sushi oder Ceviche verarbeiten und passt praktisch zu jedem Geschmack und jeder Küche. Er ist robust, auch in der Zubereitung, kann vorgegart und final erwärmt werden, schrumpft kaum und hat keinen Eiweißaustritt.

 

 

Fotos: Shutterstock, Transgourmet, Regal Springs Europe

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7. Januar 2016
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